Freunde und Gegner Blochers gestehen ihm übereinstimmend ausserordentliche rhetorische Fähigkeiten und grosse politische Breitenwirkung zu. So stehts auf Wikipedia. Ausserdem sollen ihm seine Gegner Fremdenfeindlichkeit, einen demagogischen Stil sowie Populismus vorwerfen. Nichts neues also. So kennt man ihn. Oder so es gibt Menschen die ihn so kennen. Also seine Gegner. Was sehen die anderen in ihm? Einen Helden vielleicht, einen Retter oder gar den einzigen Menschen der Schweiz, der weiss wo’s lang geht? Was stimmt denn jetzt, eigentlich höchste Zeit dies herauszufinden. Jean-Stéphane Bron hat’s versucht und es in 100 Minuten Film für uns festgehalten. Anscheinend sei er gnadenlos gescheitert.
Gleich zu Beginn: Das finde ich nicht. Nein, der Film steckt Herrn Blocher nicht in eine Schublade. Der Dokumentarfilm gibt einem keine Lösung. Das wäre wohl auch zu einfach gewesen. Der Film versucht etwas viel schwierigeres. Er ist Beobachter. Immer. Überall. Nicht ganz so tiefgründig wie es jetzt vielleicht klingen mag, doch auch alles andere als oberflächlich. Bron versucht den Menschen Blocher zu zeigen, nicht seine Rolle. Und das ist ihm sogar ein bisschen gelungen. Bemerkenswert.
L’experience Blocher beeindruckt durch spektakuläre Bilder. Blochers schwarze Limousine aus der Vogelperspektive gefilmt, wie sie durch die hügelige Landschaft schleicht. Eine ungeheure Macht ausstrahlend. Blocher beim rasieren. Blocher alleine. Und schliesslich Blochers Frau, alleine und erschüttert.
Christophe Blocher wirkt oft müde, am Schluss des Filmes frag man sich ob man eine Wachsfigur anschaut. So leblos wirkt er. Wie ein Geist. Und auch sonst ist er oft unscheinbar. Man spürt aber auch, dass er ganz genau weiss was er will. Er ist sich seiner Sache sicher. Verherrlichen tut er sich selbst jedoch nicht. Zumindest gibt er es nicht zu. Typisch schweizerisch.
Blocher hat zwei Gesichter. Das eine; der ruhige, nachdenkliche,und besorgte, alte Mann. Das andere; der stolze Kämpfer und Star. Er spielt mit diesen beiden Rollen. Den einen Blocher kennt man aus unzähligen TV-Auftritten und Ansprachen. Den anderen muss man zuerst einmal sehen wollen.
Helfen diesen Mann zu verstehen tut der Film nicht. Er gibt keine plausible Erklärung wieso Blocher so geworden ist, wie er ist. Aber er zeigt gnadenlos wie er ist. Die Bildsprache entspricht seiner Person zu 100 Prozent. Stur, immer geradeaus, keine eigenen Fehler sehen, Hoffnungslos, dunkel, Weltuntergang.Der Film ist ein Thriller über eine Person, die langweiliger nicht sein könnte. Der Filmemacher erzählt immer wieder, dass er nicht wisse, wie er die Person Blocher knackt. Wie er hinter sein Geheimnis kommt. Also vielleicht hat er gar kein Geheimnis. Das ist zumindest dies, was der Film aussagt. Er schafft es sogar, dass man sich vor Christoph Blocher zu ekeln beginnt. Geschickt. Ein Propagandafilm wie befürchtet wurde, ist L’experience Blocher nicht.
Das Gefühl, welches einem zurückbleibt, ist, dass die Ära Blocher wohl bald zu Ende ist. Man hat Mitleid mit diesem alten Mann, mit seiner eingeschränkten Weltanschauung. Mitleid mit den Menschen, die in ihm einen Helden sehen, denn diese Vorstellung wird durch diesen Film wohl definitiv zerstört.